Kinder bekommen die Leute sowieso

04. Mai 2004, 19:30 Uhr

Inzwischen wissen es fast alle: Deutschland hat zu wenig Kinder. Nicht erst seit kurzem, sondern seit mehr als 30 Jahren – einer Generation! – liegt die Geburtenrate in unserem Land deutlich unter zwei Kindern pro Frau (und Mann).
Die Frage, ob es dem Staat überhaupt erlaubt sei, auf eine Erhöhung der Kinderzahl hinzuwirken, löst heutzutage nur noch wenig Streit aus. Allenthalben ertönt der Ruf nach einer familien- und kinderfreundlicheren Politik.
Mehr Krippen, Kindergärten und Ganztagsschulen – wer außer den Haushaltspolitikern wollte da grundsätzlich widersprechen? Kürzere Ausbildungszeiten, damit der Kinderwunsch weniger als bisher mit beruflichen Zielen kollidiert? Im Prinzip nicht wirklich kontrovers.
Anders hingegen der Vorschlag, Kinderlose zu mehr privater Rentenvorsorge zu nötigen und gleichzeitig ihre gesetzlichen Rentenansprüche zugunsten derjenigen zu kürzen, die Kinder aufgezogen haben. Die einen sehen hierin eine Strafe für? Kinderlosigkeit, die anderen einen gerechten Ausgleich für das „Geschenk“, das Eltern der Gesellschaft in Form künftiger Beitragszahler machen.
Eine andere Idee ist die Einführung eines „Kindersplittings“ in Anlehnung an die französische Gesetzgebung. Deutlich stärker als bisher bei uns würden Kinder zu steuerlichen Erleichterungen führen. Im Zeitalter knapper Kassen aber würde dies höhere Steuern für Kinderlose bedeuten. Es ist absehbar: Wer als Politiker für diese Idee eintritt, darf eine Wahlniederlage nicht scheuen.
Doch ist es überhaupt die Politik, die Menschen veranlassen kann, mehr Kinder zu wünschen und diesen Wunsch dann auch Wirklichkeit werden zu lassen? Wie kommt es, daß in den Vereinigten Staaten mehr Kinder pro Einwohner geboren werden als in allen westeuropäischen Ländern? Ist es am Ende eine Mentalitätsfrage, die von oben nur schwer zu steuern ist? Oder brauchen wir gerade wegen unserer eher staatsorientierten Mentalität einen Anschub des fürsorglichen Staates, damit wir es „wagen“, Kinder in die Welt zu setzen?

An der Diskussion nehmen teil:

Prof. Dr. Dr. h.c. Bert Rürup
Institut für Volkswirtschaftslehre, TU Darmstadt, Vorsitzender der „Kommission für die Nachhaltigkeit der Sozialen Sicherungssysteme”

Renate Schmidt
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Werner Sinn
Direktor des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, Ludwig-Maximilians-Universität München

Moderation: Elisabeth Niejahr
Journalistin, „Die ZEIT”

Veröffentlicht unter Allgemein